Ein Gastkommentar bei Primenews:
Ich suche mir die Filme und Serien, die ich mir ansehen möchte, gerne selbst aus oder lasse mich auf Empfehlungen von Familie oder Freunden ein. Ich gehe davon aus, dass es Ihnen wie auch allen anderen Bürgerinnen und Bürgern da nicht anders geht. Unser Parlament vertraut uns bei dieser Entscheidung offenbar weniger. In der vergangenen Herbstsession wurde nämlich das neue Filmgesetz, auch «Lex Netflix» genannt, beschlossen. Das Gesetz verpflichtet Streaming-Plattformen wie Netflix, Amazon oder Disney+ sowie private TV-Sender wie 3+, Sat1, oder Pro7, mindestens 30 Prozent europäische Filme und Serien zu zeigen.
Freie Wahl statt «Pflichtkonsum»
Bei den Streaming-Diensten handelt es sich um private Unternehmen, die Inhalte zeigen, für welche die Konsumenten bereit sind, freiwillig zu bezahlen. Da erschliesst es sich mir nicht, weshalb nun nicht mehr das Publikumsinteresse dieser bezahlenden Konsumentinnen und Konsumenten, sondern die Herkunft der Produktionen ausschlaggebend für deren Aufführung im Angebot sein soll. Wenn es unsere einheimischen Filme auf internationale Plattformen schaffen, ist dies ein toller Leistungsausweis für das Schweizer Filmschaffen. Wenn es dazu aber eine Quote braucht, verbinde ich dies eher mit dem Stichwort «Pflichtkonsum» und weniger mit der Förderung des Schweizer Films.
Erschreckend finde ich, dass bei den europäischen Filmen keinerlei qualitative oder inhaltliche Vorgaben gemacht wurden. Die Herkunft reicht offenbar als Qualitätsmerkmal. Damit die Streaming-Anbieter die 30-Prozent-Quote erfüllen können, werden sie ihr Angebot somit entweder mit qualitativ im Durchschnitt höchstens mittelmässigen, europäischen Produktionen ergänzen oder beliebte nicht-europäische Produktionen aus dem Angebot nehmen müssen. Beide Fälle sind ein Schlag ins Gesicht der Konsumierenden und ein Eingriff in die Konsumfreiheit.
Das Parlament hat es zwar gut gemeint: Es wollte das Schweizer Filmschaffen unterstützen. Leider hat es bei der Ausarbeitung des Gesetzes die Geschichte nicht zu Ende gedacht. Denn dass die Europa-Quote dem Schweizer Film hilft, ist mehr als fragwürdig.
Beim Thailänder gibt’s auch keine Fondue-Pflicht
Nehmen wir an, Streaming-Anbieter entscheiden sich in Europa – ja vielleicht sogar in der Schweiz – aktiv zu werden. Vielleicht kaufen sie eine Schweizer Produktion auf und bieten sie auf ihren Kanälen an. Dabei kaufen sie die Produktion den Schweizer Kinos und Verleihern weg. Wie das dem Schweizer Film helfen soll, ist mir ein Rätsel, denn im Schweizer Kino kann man den Film dann nicht mehr sehen, sondern nur noch exklusiv auf den Streaming-Plattformen. Ferner hilft es dem Schweizer Filmschaffen wohl kaum, wenn der wahrscheinliche Fall eintritt und sich die Streaming-Anbieter aufgrund der Europa-Quote für ein anderes europäisches Land entscheiden und beispielsweise mehr italienische oder dänische Produktionen gezeigt werden.
Wie absurd die 30 Prozent Europa-Quote ist, zeigt sich zudem, wenn wir sie auf andere Branchen übertragen. Stellen Sie sich vor, jedes Restaurant in der Schweiz – auch der Thailänder und Mexikaner um die Ecke – müsste mindestens 30 Prozent europäische Gerichte auf der Karte anbieten. Oder amerikanische Bands müssten bei einem Auftritt in der Schweiz während einem Drittel ihres Konzerts Musik von europäischen Interpreten spielen.
Das Gesetz geht dem Konsumenten ans Portemonnaie
Als ob es nicht schon Grund genug gäbe, gegen das neue Filmgesetz das Referendum zu ergreifen, kommt es noch dicker für die Konsumentinnen und Konsumenten. Das neue Gesetz geht ihnen nämlich auch ans Portemonnaie. Es verpflichtet die privaten TV-Sender und Streaming-Plattformen, eine Abgabe von mindestens vier Prozent ihres Umsatzes in das Schweizer Filmschaffen zu investieren. Dabei kann der Bundesrat den Prozentsatz beliebig ohne Zutun des Parlaments anheben, was auch demokratiepolitisch fragwürdig scheint.
Verstehen Sie mich nicht falsch, liebe Leserinnen und Leser, ich habe nichts gegen den Schweizer Film. Aber der Schweizer Film wird bereits heute in der Höhe von 150 Millionen Franken durch die Serafe-Medienabgabe und indirekt über Steuern unterstützt. Braucht es wirklich eine weitere Filmsteuer und damit eine Dreifachbelastung der Konsumierenden? Meiner Meinung und der Meinung der Jungfreisinnigen nach ganz sicher nicht! Denn die Streaming-Dienste werden die Abgabe, die sie auf ihren Umsatz – und nicht ihren Gewinn – bezahlen müssen, auf die Konsumentinnen und Konsumenten abwälzen, was mit einer Erhöhung der Abogebühren einher geht. Besonders davon betroffen wären wir Jungen, da die junge Generation mehr auf Streaming setzt als die ältere. Diesen Angriff auf unser aller Portemonnaie gilt es abzuwehren, denn wir zahlen die Abos freiwillig. Entsprechend sollen wir dafür qualitativ gute Inhalte erhalten und nicht Inhalte, die nach ihrer Herkunft und staatlichen Anordnungen ausgewählt wurden. Die Filmauswahl lassen wir uns sicher nicht vom Staat abnehmen.