BaslerZeitung – 30. Juli 2020
Er ist der Neue. Und er will angreifen. «Wir wollen viele junge Liberaldenkende abholen», bestätigt Lucio Sansano, der neue Präsident der Baselbieter Jungfreisinnigen, «wir müssen uns an der eigenen Nase nehmen, denn wir waren in den vergangenen Jahren offenbar zu passiv.» Nicht nur die Juso und die Grünen sollen unter den Jungparteien wahrgenommen werden: «Ich kenne viele Junge, die liberal denken.»
Sansano möchte in Zukunft vermehrt Jungfreisinnige oder ehemalige Jungfreisinnige in Ämtern sehen. Nicht wie heute. «Möglicherweise liegt das an der Parteikultur», sagt Balint Csontos, Präsident der Grünen Baselland, «bei uns werden Junge schnell eingebunden und erhalten gute Listenplätze.» Csontos war selbst Co-Präsident des Jungen Grünen Bündnisses Nordwest. Die Junggrünen brachten auch Anna Ott als Vize-Präsidentin der Baselbieter Sektion sowie Dominik Beeler, den Co-Präsidenten des VCS, hervor. In Basel Nationalrätin Sibel Arslan. Im Basler Grossen Rat sitzen Raffaela Hanauer, Michelle Lachenmeier, Jo Vergeat, Oliver Thommen und Raphael Fuhrer.
Laura Salathe, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Gfs.bern, möchte «widersprechen». Nicht nur linke Parteien schöpften aus dem Reservoir Jungpartei. Zwar würden sie in ihren Kampagnen die Basis stärker einbinden, ein gutes bürgerliches Beispiel sei jedoch Simon Oberbeck. Landrat, Gemeinderat, Präsident der CVP Birsfelden und ehemaliger Präsident der Jungen CVP Schweiz.
Dann wirds dünner, wie auch Silvio Fareri, Präsident CVP BL und ehemalige Präsident der Jungen CVP Baselland einräumt. Alt-Landrätin Sabrina Corvini-Mohn, die sowohl die CVP BL als auch JCVP präsidierte, und Landrätin Patricia Bräutigam seien zu nennen. Junge Menschen verfügten über einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, weshalb linke Parteien auf sie anziehender wirkten, räumt Fareri ein. Es selbst sei der Mitte-Partei CVP beigetreten, «weil extreme Positionen nicht zu meinem Naturell passen».
So siehts in Bern aus
Laura Salathe nahm die unter 40-jährigen Mitglieder der Vereinigten Bundesversammlung vor den Wahlen 2019 unter die Lupe. Sie achtete darauf, wer ein aktives Mandat in der zur Mutterpartei gehörenden Jungpartei innehatte, innehat oder auf der persönlichen Website eine Mitgliedschaft in einer Jungpartei nennt. «Auf die Parteien differenziert wird deutlich, dass bei SP und GPS der Anteil der jungen Parlamentsmitglieder mit jungparteilichem Hintergrund am häufigsten sind», folgert Salathe, «jedoch stellen Jungparteien für alle Parteien einen relevanten Faktor dar, um nationalen parlamentarischen Nachwuchs zu generieren.»
Von den 31 Parlamentariern unter 40 Jahren hatten 22 (71 Prozent) eine Vergangenheit in einer Jungpartei. Darunter Politiker wie Bastien Girod (39), Gründungsmitglied der Jungen Grünen Zürich, Erich Hess (39), ehemaliger Präsident der Jungen SVP Schweiz, Cédric Wermuth (34), ehemaliger Präsident der Juso Schweiz, Christian Wasserfallen (39), ehemaliger Präsident der Jungfreisinnigen Stadt Bern, oder Martin Candinas (39), einst im Vorstand der JCVP Schweiz. Von den 22 Sitzen entfielen sieben auf die SP (77,8 Prozent), fünf auf die SVP (62,5 Prozent), vier auf die Grünen (80 Prozent), vier auf die FDP (66,7 Prozent) und zwei auf die CVP (66,7).
Zuerst in die Wirtschaft
«Viele unserer Jungen machen zuerst ihren Weg in der Wirtschaft und leben nicht von Staatsgeldern», sagt Dominik Straumann, Präsident der SVP BL, «Linke werden Berufsnationalrat.» Ein paar in Amt und Ehren gibt es dennoch. Der Allschwiler Landrat Florian Spiegel und der Roggenburger Gemeinderat Nandor Frey. In Nicole Roth, der Präsidentin der JSVP Baselland, sieht Straumann einen Trumpf für die nächsten Landratswahlen.
Saskia Schenker, Präsidentin der Baselbieter FDP, bestätigt indirekt, dass es mit dem Nachwuchs in der Vergangenheit haperte, denn sie priorisiert ihn: «Inzwischen treten viele Junge in den Gemeinden an; ich pflege einen engen Austausch mit den Jungfreisinnigen; wir konnten Junge für Parteigremien gewinnen.» Ihre Aushängeschilder sind Naomi Reichlin, Vizepräsidentin der FDP Baselland, sowie Gina Zehnder, Geschäftsführerin der FDP Baselland.
«Vertrauensvorschuss»
Nationalrätin Samira Marti, Land- und Gemeinderätin Desirée Jaun, die Landräte Jan Kirchmayr und Etienne Winter haben im Baselbiet den Sprung von den Juso in ein politisches Amt geschafft. «Die SP gibt Jungen eine Chance und einen Vertrauensvorschuss», sagt Kantonalpräsident Adil Koller. Dies habe er selbst erlebt, als er vor fünf Jahren, 21-jährig, ins Amt gekommen sei. Mit Nils Jocher und Jonas Eggman aspirieren nun zwei ehemalige Juso gemeinsam auf das Vizepräsidium der SP BL.
Jus-Student Lucio Sansano ist mit seinen 20 Jahren im Reinacher Einwohnerrat angekommen. Er habe sich immer für das Politische interessiert. In der Primarschule, im Kinderforum, während seiner Zeit am Gymnasium Münchenstein an Debattierveranstaltungen. Das Klima habe den Grünen in die Karten gespielt, allgemein die Demos den Juso. «Wir aber wollen auf zivilisiertere Art auf liberale Themen aufmerksam machen, sachlich, nicht nur fordernd», sagt Lucio Sansano. Nun will er sie starten: die liberale Bewegung im Baselbiet.
DANIEL AENISHÄNSLIN