BaZ Artikel von Sebastian Briellmann vom 14.09.24
Vier junge Nationalratskandidatinnen und -kandidaten diskutieren über die wichtigsten Themen des Wahlkampfes. Sie machen es auch nicht anders als die Etablierten. Was ein Kompliment ist. Wenn es nicht gerade um Peach Weber geht.
Darf man das eigentlich sagen? Darf man sagen, dass diese jungen Politikerinnen und Politiker, der viel gelobten, viel kritisierten Generation Z angehörend, eigentlich genau so politisieren wie die etablierten, die älteren? Ja, das darf man, weil sie es ja genau gleich machen wie die alten (was, bitte nicht missverstehen, ein Kompliment ist), weil auch junge politische Köpfe nicht einfach Kindergarten veranstalten, sondern sagen, was ihnen wichtig ist, für was sie einstehen.
Da ist nichts von «Jugend forscht» zu erkennen, von naivem, rosarotem Kitsch, nichts von spätpubertären Gymnasial-Aufsätzen, welche die Welt verändern wollen, ohne die Welt zu kennen. Das ist: Jugend forsch. Einen Beleg liefert das Zukunftspodium der «Basler Zeitung», gemeinsam veranstaltet mit – und bei – Novartis, an dem unter der Moderation eines bestens aufgelegten Oliver Sterchi, stellvertretender Ressortleiter Region der BaZ, ein politisches Quartett den Beweis erbringt, dass man auch als jüngeres Semester durchaus bereits das Qualitätssiegel der «Arena»-Tauglichkeit vollführen kann.
Zukunftshoffnungen
Vier Nationalratskandidaten und -kandidatinnen nehmen also Platz in ziemlich bequemen Sesseln im Novartis-Auditorium an diesem Mittwochabend, aber komfortabel solls nun wirklich nicht zugehen. Warum auch?
Die politischen Zukunftshoffnungen sind dennoch nicht zum Plausch hier, zum lässigen Laissez-faire: Schliesslich sind drei von ihnen platziert auf den Hauptlisten ihrer Parteien – Laurin Hoppler, 22, auf jener des Grün-Alternativen Bündnisses im Kanton Basel-Stadt; Sarah Regez, 29, SVP, Kanton Baselland; Lucio Sansano, 23, FDP, Kanton Baselland – und Ella Haefeli, 18, als Co-Vizepräsidentin auf dem Zettel der basel-städtischen Juso (Respekt, wenn man in diesem Alter bereits einen ziemlich souveränen Eindruck hinterlassen kann). Da will, da muss man schon ein wenig zeigen können, warum man mit Recht auf einer solchen Liste steht.
Klappt auch. Sei es beim Thema Klimawandel, bei der Frage, ob die Jungen nicht mehr chrampfen wollen – oder, ganz schwierig, bei der Debatte um den richtigen Umgang der Schweiz mit der EU, der Neutralität, der Aussenpolitik insgesamt. Sarah Regez liefert sicher den aufsehenerregendsten, streitbarsten Auftritt des Abends. Ist das alles echt, ist das vielleicht auch ein bisschen bewusste Wahlkampf-Provokation, ganz im Sinne der Volkspartei?
«Egal, wer Schuld hat»
Zum Klimawandel sagt sie: «Bei der Hysterie mache ich nicht mit. Und bloss keine Verbote.» Zur Generation Z sagt sie, dass Arbeit eben auch glücklich machen könne, die Forderung nach einer 32-Stunden-Woche das Resultat einer wohlstandsverwahrlosten Generation sei. Zur EU sagt sie, dass man ja nicht zu viele Kompromisse machen dürfe – und zur Neutralität, dass doch die Schweiz immer ihre «Guten Dienste» gehabt habe, der Ort für Verhandlungen gewesen sei, weil an erster Stelle ja der Frieden stehen müsse, «egal, wer Schuld hat». Das sitzt.
Am nationalrätlichsten agiert Lucio Sansano, unaufgeregt, klassisch-liberal, «Hysterie» findet er nicht den richtigen Begriff bei der Klimadebatte, stimmt Regez aber bei der Anti-Verbot-Haltung zu; er will künftig 50 bis 60 Stunden arbeiten, aber auch flexibel und einen schönen Teil im Homeoffice, Work-Life-Balance eben, «nicht konservativ», wie die SVP-Frau das propagiert; und bei der Neutralitätsfrage kann er nur noch den Kopf schütteln über Regez’ Friedenstaube-Argumente.
Am lockersten durch die einstündige Debatte mäandriert Laurin Hoppler, kein Wunder, ist er trotz seiner erst 22 Jahre als Basler Grossrat doch der durch Auseinandersetzungen gestählteste Jungpolitiker. Verbote beim Klimawandel? Nur, wenn es sein muss, bitte vorher Innovation. Und ziviler Ungehorsam, in seiner grünen Bubble oft als heroischer Akt verklärt? Lieber nicht.
32-Stunden-Woche als progressives Super-Fanal der Generation Z? Too much, lieber sich langsam an neue Arbeitszeiten gewöhnen, eins nach dem anderen – und selbst, wenn weniger arbeiten durchaus in seinem Sinne sein mag, «chrampfen möchte ich bei meiner Arbeit später auch». Dass auch er bei der Neutralitätsfrage nur noch den Kopf schütteln kann über Regez’ Friedenstaube-Argumente: Wenig überraschend.
Vielleicht am bemerkenswertesten schlägt sich Ella Haefeli. Mit 18 haben einige ja schon alles selbstverliebt gewusst, was es zu wissen gibt, aber noch nie eine Diskussion ebenbürtig geführt. Die Gymnasium-Leonhard-Schülerin hat in diesem Jahr den Wettbewerb «Jugend debattiert» gewonnen.
Okay, rhetorisch ist man, gerade volljährig, wohl dennoch noch nicht die Nummer 1, aber verteidigen Sie mal gegen ziemlich alle eine 32-Stunden-Woche und als Juso ein sozialdemokratisches Dilemma (mehr, mehr, mehr EU – aber Lohnschutz und flankierende Massnahmen sind eben auch wichtig – dafür sind diese Pushbacks an den europäischen Grenzen auch nicht toll). Für Anliegen, die maximal 10 Prozent der Bevölkerung vertreten, ist das ganz solide. Dass auch sie bei der Neutralitätsfrage nur noch den Kopf schütteln kann über Regez’ Friedenstaube-Argumente: Wenig überraschend.
Findet, so wirkt es jedenfalls, auch der bekannte Schweizer Comedian Michael Elsener, der das Gehörte in einer einigermassen humoristischen Kurz-Analyse (eine Königsdisziplin des Wortwitzes) zusammenträgt. Danach noch eine Nummer, die doch gefällt: Wählte das Volk, würde Bundesrat unter anderem: Roger Federer, klar, ein Influencer, Pingu und Siri (die aus dem iPhone) und eine Dose Aromat, na ja – aber eben auch: Peach Weber (grossartig!).
Peach Weber?
Okay, dann spürt man die Juvenilität dieses Anlasses dann schon: Bei dieser Imitation des vielleicht besten Schweizer Komikers ist viel vornehmes Schweigen. Andere Generation halt. Schade, eigentlich. Wenn dies jedoch der einzige Unterschied zwischen jungen Politikhoffnungen und etablierten Schwergewichten bleibt: Was solls? Darf man so doch auch mal sagen.